Die deutsche Verwaltung strebt nach Digitaler Souveränität (DS). Das bedeutet, handlungs-, gestaltungs- und wechselfähig bei der Wahl von Soft- und Hardware für die Verwaltung zu werden. Die Ampel-Koalition hatte sich 2021 im Koalitionsvertrag vorgenommen, eine Open-Source-Strategie zu verfolgen. Bisher sei davon jedoch wenig sichtbar, kritisierte Miriam Seyffarth, Leiterin Politische Kommunikation in der Open Source Business Alliance beim Bundesverband für digitale Souveränität, die Open Source (OS) als Grundlage für Digitale Souveränität sieht.
Laut Seyffarth fehlt bislang der politische Wille, OS durchzusetzen. Insbesondere das Bekenntnis auf einer übergeordneten Ebene vermisse sie. Stattdessen setze man weiterhin auf Hyperscaler, die überwiegend mit proprietärer Software arbeiteten. Mit OS könne man jedoch überprüfen, was in der Software passiert. Sie lobte in diesem Zusammenhang Schleswig-Holstein. Die Landesregierung plant, auf die freie Software „LibreOffice“ zu setzen, was die 30.000 Beschäftigten der Landesverwaltung betreffen wird. Die Landesregierung bereite sich zumindest darauf vor, auf einen Softwarewechsel vorbereitet zu sein, falls eine alte Lizenz auslaufe, erklärte Seyffarth.
Nichtsdestotrotz könne man in diesem Kontext Bund und Länder schwer vergleichen. Norbert Müller, CEO der SysEleven GmbH, erklärte bei einer Abendveranstaltung des Webhosting-Unternehmens, dass der Unterschied zwischen dem politischen Willen der Politik und dem Umsetzungswillen der Verwaltung groß sei. Er forderte, diese Diskrepanz aufzulösen. Das Problem liege auch darin, dass die deutsche und europäische Softwareindustrie weit hinter den technologischen Fähigkeiten der US-Anbieter zurückliege. Die nationale IT-Industrie sei „seit einigen Jahrzehnten vom Weltmarkt verschwunden“, klagte Müller. Um den Aufholbedarf zu bewältigen, müsse die Verwaltung stärker auf „vertrauenswürdige“ Anbieter setzen und dies auch in Ausschreibungen und strategischen Ausrichtungen berücksichtigen.
OS-Strategie hakt noch
In der Diskussion gab Dr. Sebastian Basse, Leiter des Referats Cybersicherheit in der Bundesverwaltung im BMI, zu, dass die Umsetzung der OS-Strategie noch „hake“. Allerdings sei keine Entwicklung verschlafen worden. Es habe keine Gelegenheit gegeben, bei der man versäumt hätte, einen deutschen Anbieter aufzubauen. Der jahrzehntelange Entwicklungsvorsprung der Hyperscaler habe zu dieser Ausgangslage geführt. Dennoch: Die Bundesverwaltung lege weiterhin einen klaren Schwerpunkt auf OS. Neben offenen Schnittstellen und dem einsehbaren Quellcode hätten insbesondere deutsche und europäische Anbieter den Vorteil, keine Probleme mit der DSGVO zu haben. Denn auch in der Bundesverwaltung stelle man sich häufiger die Frage: „Wo kommt dieser Anbieter eigentlich her?“.
Plattformproblem als größter Hemmschuh
Doch nicht nur der Entwicklungsvorsprung hemme den flächendeckenden Einsatz von OS. Andreas Könen, bis März dieses Jahres noch Abteilungsleiter für Cyber- und Informationssicherheit im BMI, erklärte in Berlin, dass OS zwar hervorragend funktioniere, man aber die Plattformprobleme vergesse. Proprietäre Software habe Plattformumgebungen, an die viele Anwendungen gebunden seien. Somit stelle sich die Frage: Wie kann man die Anwendungslandschaft transformieren und migrieren? Auf Bundesebene habe man diese Migration bereits diskutiert, sich dann aber dagegen entschieden, insbesondere weil die Ressorts Kritik hinsichtlich der Applikationslandschaft geäußert hätten.
Dementsprechend sei eine Migration von proprietärer Software zu OS grundsätzlich möglich: Man müsse sich nur im Klaren darüber sein, wie man eine Transformation angeht und welche Kosten dies nach sich ziehe, resümierte Könen.